Auf der Takawira-Farm im Jahr 2000
John Takawira, Meisterbildhauer der ersten Generation, starb 1989 und seine Werke werden bis heute weltweit zu astronomischen Liebhaberpreisen gehandelt.
Er arbeitete fast ausschließlich mit hartem Serpentin, aus dem er seine kraftvollen Gestalten hervortreten ließ. Seine begabten Söhne, Gerald und Simon, modellierten später auch weichere und sanfte Formen aus schimmerndem Opalstein, aus grünem Verdit oder dem gelb-schwarz gefleckten Leopardenstein, den es fast ausschließlich nur in Simbabwe gibt.
Ende 2000 lud mich Gerald Takawira, der große Erfolge auf der EXPO 2000 in Hannover erzielt hatte, auf die Familienfarm vor den Toren der Hauptstadt Harare ein. Er hatte eine Mappe mit Aufträgen von Galerien in Frankfurt und Berlin mitgebracht und bat mich um Übersetzung des Schriftverkehrs ins Deutsche.
Die „Alten“ – Künstler der ersten Generation – haben ihr Wissen und ihre Erfahrung an die Söhne weitergegeben. Gerald und Simon gehen nun ihren eigenen Weg und haben einen eigenwilligen modernen Stil gefunden, dem international höchste Anerkennung zuteil wird aber tief im Herzen bewahren sie den Respekt und die Verehrung für den berühmten Vater.
Die Tabakfarm der Familie Takawira wird seit dem Tode des Vaters vom ältesten Bruder bewirtschaftet und ist nur über eine kilometerlange unwegsame staubige Straße zu erreichen.
Unter einem gewaltigen Feigenbaum stehen zwei verwitterte Baumstümpfe, auf einem saß einst der große Meister, John Takawira, und auf dem anderen stand das Objekt, an dem er gerade arbeitete. Beide Stümpfe sind nun leer und unbenutzt aber drum herum stehen viele andere, neue, belegt mit den Werken der Söhne Gerald und Simon, die das Talent des Vaters geerbt haben.
Die Hinterlassenschaft des Vaters, Skulpturen in allen Formen und Grössen, sind überall auf dem Farmgelände scheinbar wahllos und wie zufällig vergraben, so als wären sie einfach umgefallen und in der Erde versunken, vielleicht deshalb, damit eventuell eindringende Räuber den ganzen Schatz nicht auf einmal finden.
Wir graben gemeinsam an verschiedenen Stellen und fördern unglaubliche Kunstwerke zu Tage. Ich fotografiere die wertvollen Stücke und Gerald bietet mir einige zum Kauf an. Leider übersteigen die geforderten Preise meine Mittel und ich kann nur hoffen, daß sie eines Tages in gute Hände kommen.
„The big old man“ ist überall präsent, die Familienmitglieder sprechen von ihm und mit ihm, als wäre er noch mitten unter ihnen und vielleicht ist er das ja auch. Sein Geist weht über die weiten Felder und sein Auge wacht über Wohl und Wehe der Familie – fast kann ich es selber spüren und das sage ich dann auch.
Gerald schaut mich prüfend an und sagt, er wolle mir etwas zeigen und wir stampfen über holprigen Boden zu einer weiter entfernt stehenden Baumgruppe. An diesem schattigen Ort sind Vater und Großmutter begraben. Ein schlichter schmuckloser Stein deckt den Körper des Vaters und am Kopfende wacht ein gewaltiger grauer Adler aus härtestem Springstone, den Gerald – wie ein Versprechen, das Werk des Vaters weiterzuführen, als damals 25jähriger angefertigt hat.
Die Mutter des großen Meisters ist der wahrhaft spirituelle Mittelpunkt der Familie. Sie wurde ca. 1918 geboren und starb 1989, ein halbes Jahr vor ihrem Sohn. Sie war eine energische, dominante und kraftvolle Person und ihr Einfluß auf die Familie war stark. Sie war bekannt für ihre außergewöhnliche Kenntnis der Shona-Mythen und Sagen und ihre Verbindung zu den Geistern der Ahnen.
Bei ihrem Tod entschlossen sich die Söhne und Enkel, ihrer Verehrung besonderen Ausdruck zu geben und ließen eine teure Grabplatte und einen aufrecht stehenden Grabstein aus poliertem schwarzen Granit mit ihren Geburts- und Todesdaten und christlicher Inschrift gravieren.
Eine Woche nach der Beerdigung fiel der zentnerschwere Stein plötzlich um und zerschlug die Grabplatte. Es gab nur eine Erklärung : Die ärgerliche Mutter forderte energisch die traditionelle Grabzeremonie des Stammes der Shona und nicht den neumodischen christlichen Kram.
Die Zeremonie wurde schnell und in aller Stille nachgeholt und nun ist Ruhe !
Gerald erzählt die Geschichte mit ernstem Ton und ehrfürchtigem Schauder. Langsam wandern wir zurück zum Farmhaus und nun ist er wieder der moderne Künstler, der stolz seine eigenen Werke präsentiert, an denen er für eine bevorstehende Ausstellung Mitte November in den Berliner Messehallen arbeitet. Ich verspreche, mich um seine Visumsangelegenheiten zu kümmern und seine Biografie ins Deutsche zu übersetzen und wünsche ihm Glück für die Reise.
Heike von Busekist