main content

Geschichten aus Afrika

Ein Freund und Lehrer : Crispen Chakanyuka 1943 – 2002 (Bildhauer der ersten Generation)

In einem Township am Stadtrand von Harare steht das bescheidene Haus und Atelier des Bildhauers Crispen Chakanyuka. Er wurde 1943 geboren und gehört also zu den Künstlern der „ersten Generation".

Crispen Chakanyuka war der erste Steinbildhauer, der die gewaltigen Serpentinvorkommen auf der Farm von Tom Blomefield entdeckte und seine Künstlerfreunde ermutigte, dieses extrem harte, 2.6 Milliarden Jahre alte Gestein, zu bearbeiten anstatt des bis dahin gebräuchlichen weichen Specksteins.

Crispen wurde mein Lehrer, Geschichtenerzähler und kluger Berater auf meinem Weg zum Verständnis der simbabwischen Bildhauerkunst - Und er wurde mein Freund ! Unter den vielen Werken in seinem bescheidenen Atelier befand sich schon lange ein Fabelwesen - halb Mensch, halb Vogel -, das eine magische Anziehungskraft auf mich ausübte trotz eines offensichtlichen Fehlers, der mich auch im letzten Moment immer wieder vom Kauf abhielt - die Skulptur hatte keine Füße und wirkte damit irgendwie unvollendet oder unproportioniert - es sah aus, als seien die Füße regelrecht abgeschnitten.

Dieses Wesen schien Crispen schon seit langem beschäftigt zu haben, denn ich begegnete ihm immer wieder in unterschiedlicher Gestalt in seinem Atelier und auch im Internet und in den Katalogen verschiedener Galerien – aber bei diesen Skulpturen war immer „alles dran" - auch die Füße.

Crispen bestand immer wieder darauf, dass diese ursprüngliche, erste Skulptur - nämlich die „Fußlose“ -unbedingt zu mir wolle aber ich interpretierte sein Drängen so, dass er wohl sein erstes „mißlungenes“ Werk verkaufen wollte, weil er mal wieder dringend Geld brauchte und lehnte stets freundlich ab.

Eines Tages, als wir von einer längeren Reise zurückkamen, fand ich den „fußlosen Spirit" auf unserer Terrasse sitzend - Crispen hatte ihn gebracht, wollte auch keine Bezahlung sondern erklärte schlicht, der Geist hätte darauf bestanden, dass er zu mir wolle.

Nun begann ich ernsthaft nachzufragen und endlich erzählte er mir, dass dieser Geist ihm vor langer Zeit im Traum erschienen sei und sehr energisch sein SICHTBAR WERDEN gefordert habe. Dabei sei er so erschreckend nahe gekommen - wie mit dem Zoom herbeigeholt - so daß die Füße zuletzt nicht mehr im Blickfeld waren. Die Skulptur entstand – ohne Füße - und danach sei der Geist lange Zeit nicht mehr erschienen.

Einige Monate später flogen wir nach Deutschland und besuchten die Bettendorfsche Galerie im Schlossgarten in Gauangeloch. Dort ist Crispens Chakanyukas Meisterwerk „Lion playing the Mbira" im Schlossgarten ausgestellt - die Mbira ist ein traditionelles, zimbabwisches Musikinstrument. Nach meiner Rückkehr nach Harare berichtete ich Crispen, wie sehr mich dieses Werk beeindruckt hätte, denn auch in ihm hatte ich Züge „meines" fußlosen Spirits wiedererkannt.

Kurz darauf sprach Crispen mich an mit ernster Miene : „Heute Nacht war unser Spirit wieder da. Er spielte in meinem Traum die Mbira und kam wiederum ganz nahe - aber er war viel kleiner als sonst und deshalb hatte er diesmal auch Füße !!

An dieser Skulptur arbeitete er lange und ich weigerte mich energisch, als er sie mir wiederum schenken wollte - ich kaufte sie ihm für einen hohen Preis ab und sagte, der Spirit hätte mir befohlen, dass seine Kinder eine vernünftige Ausbildung brauchten, er müsse davon das Schulgeld bezahlen.

Das erste steingewordene Abbild des Spirit, der so beängstigend nahe kam, dass die Füße aus dem Blickfeld fielen, steht immer noch auf unserer Terrasse in Harare, wo Crispen ihn abgestellt hatte.

Wir leben seit 11 Jahren in Zimbabwe, einem Land von atemberaubender paradiesischer Schönheit. Aber es liegt etwas Geheimnisvolles und Unerklärliches im Wesen des Paradieses und besonders eines solchen auf Erden - man wird daraus vertrieben ! Es ist, als ob der Mensch blind sei für seine Bedeutung, seine Schönheit und seine Gesetze.

Es ist so, als ob ein Teil vom Ganzen fehlt, AUS DEM MENSCHLICHEN BLICKFELD GERÜCKT SEI, als ob das Verbindungsglied unsichtbar oder vielleicht noch nicht gefunden sei ...

Crispen Chakanyuka starb am 12. Oktober dieses Jahres (2002). Ich habe einen Freund verloren und die Bildhauerkunst einen ihrer würdigsten Vertreter.

Auszug aus der Rede von Heike von Busekist zur Eröffnung der Ausstellung : STEINKUNST - Skulpturen aus Simbabwe 20.- 23.11.2002 im Neuen Höchster Schloss (Ein Engagement des LIONS CLUB Vortaunus)